Wenn Uhren sprechen könnten, hätte dieses Exemplar sicher viel zu erzählen. Fernab von sterilen „Safe Queens“ präsentieren wir heute eine Vintage Certina, die ihr Leben gelebt hat – und genau deshalb so faszinierend ist. Eine klassische Dresswatch der 1950er/60er Jahre, die beweist, dass wahre Schönheit auch im Alterungsprozess liegt.
Einleitung: Der Charme des Unperfekten
In der Welt der Vintage-Uhren gibt es zwei Lager: Diejenigen, die den makellosen „New Old Stock“-Zustand suchen, und diejenigen, die „Wabi-Sabi“ lieben – die ästhetische Wertschätzung der Vergänglichkeit. Diese Certina gehört definitiv zur zweiten Kategorie. Sie ist keine Uhr, die Jahrzehnte in einer dunklen Schublade verbracht hat. Sie wurde getragen, geliebt und war ein treuer Begleiter. Genau das macht ihren Charakter aus.







Das Zifferblatt: Eine Landkarte der Zeit
Der erste Blick fällt sofort auf das Gesicht der Uhr. Ursprünglich vermutlich in einem klaren Silber- oder Elfenbeinton gehalten, hat das Zifferblatt über die Jahrzehnte eine starke, gleichmäßige Patina entwickelt. Diese „Sommersprossen“ der Zeit sind bei Sammlern oft gesucht, da sie jede Uhr zu einem absoluten Unikat machen (Stichwort: Tropical Dial oder Heavy Patina).
Die Details verraten die hohe Qualität der damaligen Fertigung:
- Applizierte Indizes: Statt bloß aufgedruckter Zahlen finden sich hier erhabene, goldene Stundenmarker, die wunderbar mit den schlanken Zeigern harmonieren.
- Kleine Sekunde: Auf der 6-Uhr-Position dreht die „Kleine Sekunde“ ihre Runden – ein klassisches Merkmal eleganter Herrenuhren der Mitte des 20. Jahrhunderts.
- Das Logo: Das aufgesetzte Certina-Logo auf 12 Uhr und der feine Schriftzug unterstreichen die schweizerische Herkunft.
Das Gehäuse: Goldene Eleganz am Handgelenk
Mit einem Durchmesser von geschätzten 34–35 mm (ohne Krone) verkörpert diese Certina die klassische Herrengröße der Vintage-Ära. Heutzutage wird diese Größe oft als perfekte Unisex-Dresswatch geschätzt.
Das Gehäuse ist vergoldet (Plaqué), was ihr eine warme Ausstrahlung verleiht. Die Seitenansicht zeigt eine wunderbar flache Bauweise, die typisch für mechanische Handaufzugsuhren dieser Zeit ist. Das gewölbte Plexiglas (Acrylglas) sorgt für jene weichen Lichtbrechungen und den „Dome-Effekt“, den modernes Saphirglas einfach nicht imitieren kann.
Ein Hauch von Geschichte: Der Gehäuseboden
Dreht man die Uhr um, offenbart sich ein Stück persönlicher Geschichte. Der verschraubte Edelstahlboden trägt die Referenznummer 80 3497 25. Zumindest kann man nur noch diese Zahlen lesen.
- Die sehr unleserliche Referenz 80 3497 25 deutet bei Certina oft auf die Verwendung der legendären und robusten Handaufzugskaliber (wie das Kaliber 28-10 oder 25-66) hin, die für ihre Langlebigkeit bekannt sind.
- Die Gravur: Fein eingeritzt findet sich der Name „J. Mehmeti“ auf dem Boden. Wer war J. Mehmeti? War es ein Geschenk zum Jubiläum? Ein Erbstück? Wir werden es nie erfahren, aber genau solche Gravuren geben einer Vintage-Uhr eine Seele und verankern sie in der Realität.
Am Handgelenk
Wie trägt sich so ein Stück Zeitgeschichte? Am Arm wirkt die Certina erstaunlich präsent. Das Goldgehäuse harmoniert perfekt mit dem dunkelbraunen Lederarmband in Kroko-Optik. Sie ist leicht, gleitet mühelos unter jede Hemdmaschette und ist dennoch ein Hingucker – nicht weil sie funkelt wie neu, sondern weil sie Ausstrahlung hat. Sie ist das perfekte Accessoire für den „Distinguished Gentleman“ Look oder als bewusster Stilbruch zu Jeans und T-Shirt.
Fazit: Ehrliche Haut für Kenner
Diese Certina Vintage Dresswatch ist nichts für Perfektionisten, die nach Kratzerfreiheit suchen. Sie ist eine Uhr für Menschen, die Authentizität schätzen. Sie ist ein technisches Kulturgut aus der Schweiz, das zeigt, dass Qualität auch nach über 60 Jahren noch funktioniert. Eine ehrliche Uhr mit Ecken, Kanten und ganz viel Charme.
Bist du auch ein Fan von Uhren mit kleiner Sekunde? Oder bevorzugst du die sportlicheren zentralen Sekundenzeiger? Lasse es uns wissen!
